Viele Menschen verharren in Situationen, die unglücklich machen und wissen nicht so recht, wann der rechte Zeitpunkt gekommen ist, um wirklich mal etwas zu verändern. Du kannst deine Stimmung und dein Verhalten richtig interpretieren, um herauszufinden, ob es für dich an der Zeit ist, nach links oder rechts abzubiegen.

Bist du bereit für ein bisschen Philosophie?

Kürzlich habe ich einen interessanten Roman gelesen, in dem Friedrich Nietzsche und der Wiener Arzt Josef Breuer in Behandlung waren. ¹ In einer Szene ging es um die Unzufriedenheit von Breuer. Er war nicht glücklich mit seiner bestehenden Lebenssituation und am Überlegen, einfach alles zu verändern. Da hat Nietzsche ein interessantes Gedankenspiel ausgepackt: was würden Menschen tun, wenn sie davon ausgingen, dass das Leben unendlich ist und sie die aktuelle Situation bis in die Unendlichkeit immer wieder erleben müssten. Wenn es also kein Leben danach gäbe und der Status Quo immer erhalten bliebe. Würden Menschen dann etwas an ihrem Leben ändern, um nicht bis in die Ewigkeit so eine unerträgliche und kraftraubende Situation ertragen zu müssen?

Wenn dieses Leben also unendlich wäre, was würdest du tun? Wärst du bereit, deine Situation bis in die Ewigkeit zu ertragen? Oder würdest du etwas verändern wollen?

„The three most harmful addictions are heroin, carbohydrates, and a monthly salary.“ Nassim Nicholas Taleb

Die ewige Warteposition

Veränderungen fallen häufig sehr schwer, da du ja nicht weißt, was sich hinter dem Tellerrand versteckt. Und häufig reden sich Menschen auch ein, dass die Situation, in der sie stecken ja irgendwie noch erträglich ist.

Einige verfallen sogar in eine Art künstliches Koma und schaffen es nicht, ihre persönliche Situation zu verändern.²

Kürzlich habe ich in einer Facebook-Gruppe gelesen, dass eine Frau zwölf Jahre in einer toxischen Beziehung war bis sie es endlich geschafft hat, ihre missliche Lage zu ändern. Als ich diesen Post gelesen habe, hat sich das sogar für mich schon richtig befreiend und erleichternd angehört. Wie muss sich das für sie angefühlt haben? Arbeitsverhältnisse unterscheiden sich zwar in einigen Qualitäten von partnerschaftlichen Beziehungen, aber ich denke, dass sie auch toxisch sein können. Und deshalb sind berufliche Veränderungen manchmal auch wie ein echter Befreiungsschlag.

Was enorm wichtig ist, ist, dass wir verstehen, wie es uns geht und unsere Bedürfnisse nicht wegdrängen, sondern in einen fairen Dialog gehen und wirklich auf unser Inneres hören.³

Wie du merkst, dass deine Tätigkeit dir wirklich nicht guttut

Häufig kannst du von deinem Verhalten und deinem Gemütszustand schon einiges ablesen. Besonders aussagekräftig finde ich die Stimmung an Sonntagen und am letzten Urlaubstag. Wie bist du drauf, wenn du daran denkst, dass es nach einem Päuschen wieder losgeht mit der Arbeit?
Wie geht es dir, wenn du nach Hause kommst von der Arbeit? Bist du eher gut oder schlecht gelaunt?

Weinst du manchmal wegen deines Jobs oder beneidest du andere um ihre Tätigkeiten?

Wie viel Energie bleibt dir neben deiner Arbeit für andere Bereiche in deinem Leben, denen du gerne Energie schenken möchtest?

Inwiefern kannst du dich bei der Arbeit konzentrieren und die Leistung bringen, die du bringen möchtest? Lässt du dich regelmäßig von den negativen Faktoren stören?

Was ist der Eindruck deiner Familie und Freunde von deinem Job?

Bei Stress- oder Panikattacken sollte die Sache klar sein

In Extremfällen erleben Menschen auch Stress- und Panikattacken. Diese sind noch ein Erbe unserer Vorfahren, die nützlich waren, wenn diese plötzlich einem Säbelzahntiger gegenüberstanden. Heutzutage ist diese Verhaltensreaktion unseres Körpers etwas übertrieben, allerdings dafür ein umso klareres Indiz für uns. Wenn du teilweise unter extremen Stressreaktionen leidest oder sogar Panikattacken hast, dann weißt du, dass gestern der richtige Zeitpunkt war, was zu verändern. Und heute umso mehr.

Ich hatte mal eine Kollegin, mit der die Zusammenarbeit für mich sehr anstrengend war. Nachdem wir dann nicht mehr zusammengearbeitet haben, habe ich manchmal trotzdem noch eine Mail von ihr bekommen. Bei jeder Mail hat mein Körper eine komplette Stressreaktion veranlasst: schwitzen, Herzrasen, Schwindelgefühle. Wie gut, dass das Kapitel ein Ende hatte

Schwarz auf weiß: Zieh Bilanz über dein Wohlbefinden im Job

Maja Storch hat eine Affektbilanz entwickelt, um zu verstehen, was einen unzufrieden macht. Das finde ich eine ganz smarte Herangehensweise, um nicht nur ein grundsätzliches Gefühl entstehen zu lassen, sondern sich wirklich schwarz auf weiß vor Augen zu halten, wie die Situation ist.

  1. Skalen vorbereiten: Dabei werden zwei Skalen auf ein Blatt Papier gemalt, beide von 0 bis 100. Über die eine wird ein Minus drüber gezeichnet und über die andere ein Plus.
  2. Gefühle bewerten: Überlege dir dann, wie schlimm du deinen Job findest. Male ein kleines Kreuzchen auf die Minus-Skala an die Stelle, die sich richtig anfühlt. Wie toll findest du deinen Job? Setze dein Kreuzchen auf die Plus-Skala.
  3. Gründe verstehen: Notiere dann zu deinen Einschätzungen, woran dieses liegen könnte. Welche Gründe tragen dazu bei, dass du zu diesen Einschätzungen gekommen bist?
Affektbilanz nach Maja Storch

Wenn die negativen Gefühle überwiegen, sollte die Sache für dich klar sein. Ich hoffe, die Affektbilanz bringt dich einen Schritt weiter!

Als ich wusste, dass ich etwas verändern muss

Vor einiger Zeit hatte ich wieder mal ein richtig ätzendes Erlebnis mit meiner Führungskraft. Leider war dieses direkt vor meinem einwöchigen Wanderurlaub in Spanien. Der Urlaub war super, aber die Situation mit meiner Führungskraft hing mir noch richtig tief in den Knochen. Fast jeden Morgen bin ich früh aufgewacht und habe meine Gedanken auf meinem Kopfkissen rumgewälzt und mich über die Situation bei der Arbeit geärgert. In meinem Urlaub habe ich mir also durch meine Arbeit richtig Energie klauen lassen. An dem Punkt wusste ich, dass so ein Zustand nicht akzeptabel ist und ich mir nicht mehr länger etwas vormachen darf. Es war klar, dass ich etwas verändern musste.

Was du tun kannst

  • Überlege dir, wie deine Stimmung und dein Verhalten sind. Wie geht es dir an Sonntagen oder letzten Urlaubstagen? Oben findest du eine ganze Reihe von Fragen, die du dir stellen kannst.
  • Erstelle eine eigene Affektbilanz mit deinen Gefühlen und den dazugehörigen Gründen.
  • Überlege dir nach der Theorie von Nietzsche, ob du die aktuelle Situation unendlich lange ertragen wollen würdest.

Und spiele einfach mal gedanklich durch, was es bedeuten würde, wenn du etwas verändern würdest.⁵ Wie könnte dein Leben dann sein? Was wäre das schlimmste, was passieren könnte?

Ich wünsche dir ein paar entspannte Momente, um darüber nachzudenken, was du möchtest. Ich sehe prinzipiell zwei Möglichkeiten. Entweder du veränderst etwas, das deine Situation verbessern könnte. Oder du entscheidest dich dafür, in deinem Job zu bleiben, mit den negativen Faktoren besser umzugehen und nicht mehr darüber zu jammern. Denn Jammern macht nicht glücklich, sondern führt dazu, dass du immer mehr negative Aspekte in deinem Leben entdeckst. Wir wollen aber nach oben.

Ich glaube ganz fest daran, dass du für dich einen guten Weg findest.

Alles Liebe
Deine Insa

Zum Weiterlesen

¹ Irvin D. Yalom: Und Nietzsche weinte
² Jen Sincero: Du bist der Hammer!
³ Ullrich Sprenger-Menlow: Hacking You
⁴ Renate Dehner und Ulrich Dehner: Steh dir nicht im Weg
⁵ Aljoscha Neubauer: Mach, was du kannst

Photo by Djim Loic on Unsplash

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