Emotionen sind am Arbeitsplatz meistens noch tabu, obwohl wir so intensiv zusammenarbeiten und da schon mal ein Tränchen entstehen kann, das dann krankhaft weggedrückt wird. Ein offener Umgang mit Emotionen kann deinen Alltag besser machen und dazu beitragen, dass dein Job wirklich zum Happy Job wird.
Ich erinnere mich sehr intensiv an eine Situation, die ich bei einem Job mal erlebt habe. Damals war ich ziemlich verzweifelt und wollte einen Abteilungsleiter um Rat bitten. Ich habe mich kurz davor noch eben mit einer Kollegin ausgetauscht und abgewogen, ob ich es schaffen würde, im Gespräch mit ihm meine Tränen zurückzuhalten. Am Ende habe ich allen Mut genommen und bin in sein Büro gestapft.
Nach zwei Minuten im Gespräch war ich dann allerdings nur noch am Schluchzen, während er versucht hat, aus seiner Schreibtischschublade ein Taschentuch hervorzukramen. Diese Situation war mir unglaublich unangenehm und ich habe richtigen Scham gefühlt – in der Situation selbst und bei der Erinnerung daran.
Unser Status Quo: Enge Zusammenarbeit mit Distanz
Ich nehme wahr, dass es als gute Etikette wahrgenommen wird, Emotionen zurückzuhalten. Speziell in traditionellen Umfeldern gilt das Ausdrücken von Angst oder Traurigkeit als negativ. Und wenn dann noch geweint wird, ist das für die meisten einen großen Schritt zu weit.¹ Allerdings verbringen viele sehr viel Zeit bei der Arbeit, wodurch sich enge Beziehungen entwickeln. Das verstärkt meist die Emotionalität und kann verletzlich machen. Und ich habe den Eindruck, dass Frauen häufig wesentlich eher Emotionen wahrnehmen, die sie dann krampfhaft zu unterdrücken versuchen – oder sich eben schämen.
Wie geht es dir damit? Hast du auch schon mal so einen Gefühlsausbruch erlebt?
Scham ist kontraproduktiv für unser gemeinsames Arbeiten
Viele empfinden Scham, wenn sie zu viele Emotionen zeigen. Dieser wird begleitet durch negative Gefühle wie Selbstzweifel und kann so dazu beitragen, dass du dich schlecht und wertlos fühlst.² Außerdem können solche Selbstzweifel dazu führen, dass Menschen weniger produktiv arbeiten. Also sollte auch jeder Führungskraft daran liegen, diese Schamkultur zu unterbinden.
Brené Brown schlägt deshalb vor, dass wir unsere Verletzlichkeit zulassen und diese auch zeigen.² Das ist nicht schwach, sondern mutig und hilft uns, mit unserem eigenen Zugang zu unseren Gefühlen und zu anderen.
Also brauchen wir eine Kultur der Verletzlichkeit anstatt einer Schamkultur. Ich fände es wunderbar, wenn Probleme nicht totgeschwiegen werden, sondern offen ausdiskutiert. So ein Elefant im Raum kann häufig echt nervig sein. Und es kostet auch ziemlich viel Energie, eine Maskerade aufrecht zu halten.¹ Diese Energie können wir besser investieren.
Wie es auf andere wirken könnte, wenn du Emotionen zeigst
Also sind Emotionen am Arbeitsplatz leider bisher meistens nicht so im Trend. Wenn du Emotionen zeigst, bist du allerdings für andere authentischer als Person. Du zeigst dein wahres Ich hinter der professionellen Fassade und kannst damit Vertrauen mit deinen Kolleg:innen schaffen.
Die Menschen werden aber unterschiedlich darauf reagieren. Manche sind überfordert von zu vielen Emotionen. Deshalb musst du ganz klar wissen, dass du selbst für deine Tränen verantwortlich bist. Lass also andere wissen, dass du nichts Spezielles von ihnen erwartest oder sogar forderst, dass sie deine Probleme lösen. Wenn du diese Verantwortung klar machst und über deine Emotionalität sprechen kannst, wird die Situation für alle angenehmer sein.
Eine Freundin von mir hat sich kürzlich von ihrem Freund getrennt. Als sie kurz vor der Trennung tränenüberströmt mit ihren Eltern am Frühstück über die gescheiterte Beziehung gesprochen hat, war ihr Vater völlig überfordert und hat nicht mehr viel gesagt. In solche Situationen wollen wir unsere Kolleg:innen nicht regelmäßig bringen.
Was kann passieren, wenn du sehr viele Emotionen zeigst?
Momente, in denen du eine starke Emotionalität zeigst, sollten umgeben sein von solchen Momenten, in denen du deine volle Kompetenz zeigst und sachlich argumentieren kannst. Wenn du beispielsweise sehr häufig traurig bist, könnten andere elterliche Gefühle entwickeln oder sich selbst eben immer wieder überfordert fühlen mit der Situation. Außerdem könnten regelmäßige Gefühlsausbrüche dazu führen, dass andere dich weniger ernst nehmen und dich vor spannenden, herausfordernden Projekten beschützen.
Neue Trends in der Arbeitswelt: New Work schafft Raum für Emotionen
Langsam drehen sich die Trends und mit New Work wird klar, dass die Emotionen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden in das alltägliche Miteinander einfließen sollten.³ Menschen sollen mehr von sich selbst mit zur Arbeit mitbringen, mehr ins Gespräch gehen und aushandeln, anstatt nur Aufträge rübergeschoben zu bekommen.
Eine Freundin von mir (dieses Mal eine andere) arbeitet in einer kleinen Unternehmensberatung. Dort versuchen sie neue Arbeitsansätze möglichst gut und schnell für sich selbst auszuprobieren. Vor einigen Monaten hatten sie dann ein Meeting, in dem es darum ging, wer befördert wird. Die Mitarbeitenden konnten für sich selbst pitchen – also sich selbst quasi in dem Topf werfen und argumentieren, warum sie sich für die nächste Karrierestufe eigneten. Dieses Vorgehen finde ich schon recht mutig, ermöglicht aber eben viel Selbstbestimmtheit, die bei New Work gepredigt wird.
Nach dem zweistündigen Termin haben dann vier von 14 Mitarbeitenden geweint. Sie haben ihre volle Verletzlichkeit gezeigt. Das war für einige wahrscheinlich sehr unangenehm. Aber man zeigt sich eben sehr echt und ich denke, dass so ein ehrlicher Umgang Wachstum und Nähe ermöglicht. Ziel sollte meines Erachtens aber trotzdem auch sein, gemeinsame Termine so durchzuführen, dass Menschen nicht zu sehr emotionalisiert und verletzt werden – sondern sich einfach wohl fühlen können.
Auf dem Weg zu offener Verletzlichkeit und einem positiven Gefühl mit meinen Emotionen
Ich selbst versuche mir einen positiven Umgang mit meinen Emotionen anzueignen. Und ich habe inzwischen auch aufgehört, mich schlecht zu fühlen, wenn ich weine und andere das sehen.
Außerdem habe ich auf anderem Wege verstärkt meine Verletzlichkeit vor anderen zugelassen. Ich frage gern nach Feedback zu bestimmten Verhaltensweisen, die ich selbst kritisch an mir wahrnehme. Das macht einen verletzlich, aber eben auch stärker. Und es zeigt Mut und nicht Schwäche.
Was du tun kannst
Teile deine eigenen Gefühle mit, wenn du emotional bist. Und zwar am besten mit Ich-Botschaften. Sag also lieber „Ich bin verwirrt, weil ich die Situation gerade schwierig für mich finde.“ anstatt „Du machst die Situation schwierig für mich.“.
Öffne dich für Kritik und lass somit offen deine Verletzlichkeit zu. Andere könnten sich dem anschließen und ihr könnt euch ehrlicher begegnen als auf einem Maskenball.
Ich bin gespannt über deine Erfahrungen und deine Meinung zu Verletzlichkeit und Emotionalität bei der Arbeit.
Schreib mir gerne, was du dazu denkst.
Alles Liebe
Deine Insa
Zum Weiterlesen
¹ https://www.neuenarrative.de/magazin/kolumne-es-ist-okay-in-meetings-zu-weinen/
² Brené Brown: Verletzlichkeit macht stark
³ https://office-roxx.de/2020/01/21/technik-plus-emotion-als-new-work/
Photo by Alexas_Fotos on Unsplash
Du willst weniger Stress im Job und endlich pünktlich Feierabend machen?
Hol dir den Guide zum Grenzen setzen.
Mit konkreten Tipps, wie du Aufgaben ablehnst, deinen Kalender smart blockierst und Abwesenheitsnotizen formulierst.
[…] Wenn doch Tränen kommen, werden diese eingeordnet. Dazu habe ich auch schon mal eine Podcastfolge gemacht – hör da supergern rein. […]